Leben heißt, das Verlierbare lieben
Mirjam Rabe hat Erinnerungen an das Weiterleben ihres Vaters nach einem Zusammenbruch literarisch verarbeitet. In einer ganz eigenen Sprache und Sprachbildern ohne Klischees schildert sie eine von Verwandlung und Abschied geprägte Zeit ihrer Jugend. Sie nimmt die Leser:innen ganz in das Beziehungsgeschehen hinein und zeigt damit nicht nur ihr eigenes Ringen mit der geistig veränderten Persönlichkeit ihres Vaters, sondern auch, dass Erfahrungen mit Behinderung nicht nur als Mangel, sondern auch als Bereicherung erlebt werden können.
Mit ihrer Geschichte berührt die Autorin Fragen, die uns alle angehen: Was bleibt, wenn die Fähigkeiten und Eigenschaften, mit denen man sich selbst oder einen anderen Menschen identifizierte, verloren gehen? Wie verändert sich die Haltung zum Leben, wenn die Einsicht in die Verletzlichkeit und Verlierbarkeit all dessen, was einem wichtig ist, akzeptiert und umarmt wird?
Aus dem Buch:
»Ich will dich behalten, egal wie. Noch bin ich keine 12 Jahre alt. Jede Veränderung, auch wenn sie Verlust bedeutet, ist für mich sanfter als der Tod, von dem ich nichts weiß und nichts wissen will. Hauptsache, du bist irgendwo irgendwie noch da, möglichst bald wieder ganz bei uns. Nur: Wie trauert man um jemanden, der noch da ist? Gar nicht, denn er ist ja noch da. Aber um das, was unwiderruflich verloren ging? Kaum Raum für Trauer. Ich kann mich noch gut umgewöhnen in einem Alter, in dem sich ohnehin die Wahrnehmung der eigenen Wirklichkeit beständig ändert.«