Der Begriff des Risikos fungiert in der Moderne als Grundlage menschlichen Freiheitsverständnisses und bekommt in einer Gesellschaft, die von der Potenzierung von Gestaltungsoptionen geprägt ist, weitreichende Bedeutung. Zur Bewältigung von Krisen werden dynamische Risikobearbeitungen, dezentrale Verantwortlichkeiten und Ambiguitätstoleranzen, immer bedeutsamer.
Wolfgang Beck zeigt Ansätze für dynamische Risikobearbeitungen in ökumenischen und interreligiösen Praktiken ebenso auf wie in Formen der Gottesrede oder im sakramententheologischen Verständnis. Als Pastoraltheologie werden solche Segmente, in denen sich Kirche und Theologie auf Uneindeutigkeiten einlassen und damit auf ein primär sicherheitsorientiertes Angebot verzichten, zu gegenwartsgesellschaftlichen Gesprächsangeboten. In ihnen lassen sich Phänomene einer risikofreudigen Ekklesiogenese identifizieren.
Eine so verstandene Pastoraltheologie agiert in Anlehnung an Hannah Arendt: ohne Geländer!
Wolfgang Beck, Dr. theol., studierte Katholische Theologie in Frankfurt am Main, München und Graz und ist seit 2015 Professor für Pastoraltheologie und Homiletik an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen, Frankfurt am Main. Er leitet das Studienprogramm »Medien und öffentliche Kommunikation« und wurde mit der Schrift »Ohne Geländer« habilitiert. Er ist Sprecher des »Wort zum Sonntag« in der ARD und Redaktionsmitglied beim Theologischen Feuilleton »feinschwarz.net«.
»Die Arbeit von Wolfgang Beck möchte aus „soziologischen und philosophischen Beobachtungen Impulse für eine risiko-orientierte Theologie“ gewinnen. Der in Sankt Georgen/Frankfurt lehrende Pastoraltheologe und Homiletiker möchte mit seiner Untersuchung (es handelt sich um seine Habilitationsschrift) der Theologie sozusagen Beine machen, sie aus falschen Sicherheiten der Rede von Gott, Mensch und Kirche herausführen. Er wirbt für das bewusste Annehmen einer Verletzlichkeit, das der in so gut wie jeder Beziehung unübersichtlichen Situation der Gegenwart produktiv und solidarisch begegnen kann. «
»Der Verf. bezieht in seinem Buch klar Position: Risiken sind unvermeidbare und relevante Unsicherheitsfaktoren in allen Bereichen menschlichen Lebens, und Kirche und Theologie haben sich – gerade weil und indem sie als Kirche und Theologie handeln – auf Uneindeutigkeiten risikofreudig und solidarisch einzulassen. Tun sie dies nicht, stellen sie sich und ihre Identität selbst aufs Spiel. Die theologischen „Geländer“ – Stabilitäts-, Homogenitäts- und Kontinuitätskonstruktionen – würden damit genau das Gegenteil von dem bewirken, was sie eigentlich intendieren. Eine Stärke der Arbeit liegt darin, weitere Fragen aufzuwerfen – z. B. zum Verhältnis von Risikofreude und Macht, neoliberalen Ordnungen oder Subalternität. Bleibt zu wünschen, dass solcherart Theologie „ohne Geländer“ eine Zukunft hat.«
Ute Leimgruber, in: Zeitschrift für Theologie und Philosophie, Bd. 145 Nr. 2 (2023)